Meine fünf Syrer

Menschen im Nebel

Text: džessika
Veröffentlicht: März 2016

 

 

Seit zweieinhalb Monaten bringe ich fünf Syrern Deutsch bei.

Jeden Tag vier Schulstunden.

In einer Gewerbeimmobilie zwischen Tierarztpraxis und Autohändler.

Einer dieser im Oktober 2015 beschlossenen Einstiegskurse

für Asylbewerber mit „guter Bleibeperspektive“.

 

Da ist der Kleine.

Der Fragen nach seinen Eltern nicht versteht.

Er ist 18.

Basecap umgedreht…

In Syrien ist er mit seinen Freundinnen Shisha rauchen und essen gegangen.

War er ganz allein auf einem Boot?

Können die anderen ihm eine Familie sein?

Schickt er seinen Schwestern Geld?

 

Da ist der Dicke.

Verheiratet, 2 kleine Kinder, noch in Syrien.

Familiennachzug soll eingeschränkt werden.

Sollen die auch übers Meer?

Ich glaub er hat das Geld für Flugtickets, braucht Visa.

Er trinkt, er muss trinken, wie er sagt.

Er dreht sonst durch.

Er ist fleißig, aber ich merke

wie sehr ihn lernen anstrengt, ablenkt?

Ständig holen ihn seine Sorgen ein. 

Werden Frau und Kinder kommen?

Wird er dann ruhiger?

Schlauchboot kenn ich!

 

Da ist der Schlaue.

Ich liebe seinen Humor.

Ich erkenne ihn im Lachen.

Er ist mir vertraut.

Kein Nebel.

Aber er ist manipulativ.

Kennt nur seinen Vorteil.

Vielleicht.

Ist das arabisch?

Hat die Flucht ihn hart gemacht?

Kann er noch vertrauen?

 

Da ist der Stille.

Ein Ingenieur, der sonntags gern geangelt hat.

Jetzt sieht er Kinderfernsehen,

das versteht er.

Er glaubt als einziger dem Internet nicht.

Europäisch aufgeklärt?

Kritische Intelligenz?

 

Da ist der Kurde.

Der so Heimweh hat.

Dem seine Verwandten fehlen.

Er postet viel auf facebook.

Das Arabische verstehe ich nicht

aber die Fotos:

Kurdische KämpferInnen

tot oder siegesgewiss.

Warum kämpfst Du nicht?

Was erhoffst Du Dir hier?

Wirst Du bleiben?

 

 

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