Gummikamp, Hercules und Sägemann

Harburger Traditionsfirmen und ihre Logos, Teil 2

Text: Angela Jansen
Veröffentlicht: März 2016

(1) Geprägtes Logo der NYH auf der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Hamburger Werks

Die New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, kurz NYH, wurde von den Harburgern gern „Gummikamp“ genannt – intelligent zusammengezogen aus „Kamm“ und „Compagnie“, zwei Namensbestandteilen der Ursprungsfirma an diesem Standort. Im Folgenden geht es um einen speziellen Ausschnitt der Firmengeschichte: um das Unternehmenslogo und die Markenzeichen. 

1856 entstand in Harburg die erste europäische Hartgummifabrik unter dem Namen Harburger Gummi-Kamm-Compagnie. Ihr Hauptprodukt, nämlich Kämme, trug sie im Namen. Als Firmenzeichen führte man einen Greif mit dem lateinischen Motto „semper sursum“ („immer aufwärts“), der ein Schild mit den vier verschnörkelten Anfangsbuchstaben in den Krallen hielt. Seit 1902 firmierte sie unter dem Namen Kautschukwerke Dr. Heinr. Traun & Söhne, vormals Harburger Gummi-Kamm-Co. Das Unternehmen wurde 1930 von der 1871 in Hamburg-Barmbek gegründeten NYH übernommen. Die Übernahme diente der Rationalisierung. Sie kostete ca. 2000 Arbeitsplätze, wie Jürgen Ellermeyer es in „Gib Gummi“ schreibt [1]. 1954 wurde die Betriebsstätte in Barmbek endgültig aufgegeben, so dass nur der Harburger Standort übrig  blieb. 2009 brach die Firma auch ihre Zelte in Harburg ab und produziert seitdem in Lüneburg, immer noch Kämme, aber auch andere Produkte aus Hartgummi und Kunststoff.

Die Eintragung der Marke NYH stammt aus dem Jahr 1933. Das abstrakte Logo wird aus den Buchstaben N, Y und H und einem Flügelhelm gebildet. Die drei Buchstaben entstammen einer modernen konstruierten Schrift. Sie könnten aus Buchstaben der Futura oder Gill Sans weiter entwickelt worden sein. Beide Schriften waren damals ganz neu. Das nach unten verlängerte Y deutet den Körper einer Figur an, die einen Flügelhelm trägt. Dieser Helm symbolisiert Hermes (griechisch) bzw. Merkur (lateinisch), den Gott des Handels – ein Zeichen auch für die Entstehung der Gummiindustrie in Deutschland aus dem Kreis der Fernhändler/Rohstoffimporteure heraus. 

NYH-Logo 1933     NYH-Logo 1942

(2) „Gummikamp“ führte erst seit 1933 ein Logo, das aber gleich recht modern ausfiel. Das Ypsilon deutet den Kragen und das Gewand des Flügelhelmträgers an. Rechts: Die „aus Stein gemeißelte“ Variante aus der Zeit um 1942 hielt sich zum Glück nicht lang.

Anzeige NYH 1950er Jahre  Nyhatech

(3) Mitte: Auch in seiner Negativform – weiß auf schwarzem Grund – funktioniert das Logo. 1950 wurden bereits Eigenmarken, jeweils mit „Nyha“ beginnend, beworben. Diese Art der Namensbildung wird bis heute so fortgeführt (s. Prospekt für Nyhatech rechts).

Heute setzt NYH ein überarbeitetes Logo ein – eine gelungene Modernisierung, die sich ganz vom Figürlichen verabschiedete. Das Y wurde allerdings etwas stiefmütterlich behandelt und überlebte nur als Negativform. Die Tradition wird im Firmennamen gepflegt, der weiterhin den Begriff „Waaren“ in seiner altertümlichen Schreibweise enthält. 

NYH-Logo

(4) NYH-Logo 2016

Unverständlich ist, warum neben dem schwarz-roten Logo eine aus dem ursprünglichen Logo abgewandelte Variante verwendet wird, die gestalterisch hinter dem Original deutlich zurück bleibt. Diese Marke taucht z.B. auf Geschäftsberichten und bei der „Urnenkollektion“ auf.

NYH-Geschäftsbericht  NYH-Urnenkatalog

(5) „Verschlimmbessert“ – die modernisierte Traditionsmarke

 

Kämme mit starkem Namen: Hercules-Sägemann

Wie gesagt: Seit 1856 produzierte man in Harburg Hartgummikämme. Zum Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung von Marken und Werbung zu. Deshalb suchten die Hersteller von Hartgummikämmen nach Markennamen, die das wesentliche Qualitätsmerkmal ausdrückten, nämlich die Unzerbrechlichkeit. So entstanden bei NYH in Hamburg-Barmbek die Marken „Adler“ und „Hercules“. Der Adler gilt als König der Lüfte und Hercules zeichnet sich der Sage nach durch übermenschliche Kräfte aus.

Um eine noch stärkere Markenwirkung zu erzielen, ergänzte man dann die Markennamen durch Bilder. Wie ließen sich die Begriffe „Hercules“, „Kamm“ und „unzerstörbar“ verbinden und visualisieren? Der Gestalter um 1900 assoziierte „Hercules = stark“ und „Kamm = unzerbrechlich“ und fand so zu einer etwas skurrilen Lösung: Hercules versucht, mit übermenschlich kräftigem Hieb den Kamm zu zerschmettern, was ihm natürlich nicht gelingt. Denn der Hartgummikamm ist unzerstörbar. Also geht Hercules‘ Keule zu Bruch. So deftig es ist, irgendetwas stört an dem Bild: Denn das Produkt war ja nun nach einem benannt, der unterlag… Vielleicht hätte der Markenname besser ohne seine bildliche Umsetzung funktioniert. Vielleicht funktionierte es aber trotzdem, etwa so: In der Hercules-Liga ist der Hercules-Kamm der Beste – sogar besser als Hercules selbst. Werbung war eben noch nie logisch – wie deutsche Schlagertexte.

Werbung für Hercules-Kämme 

(6) Am Hercules-Kamm scheiterte der starke Namensgeber – eine Bildmarke, für die schwer um die Ecke gedacht wurde.

Aber es kam noch verrückter, nämlich bei der Visualisierung des zweiten Marken-Bestandteils  Sägemann. Diesen Markennamen entwickelte die Harburger Gummi-Kamm-Compagnie – vielleicht aus einem Eigennamen heraus, vielleicht aber auch assoziativ „Kamm – ausgesägte Zähne – Sägen“? Abstrakt funktionierte der Name. Aber die Bildmarke wirkte wieder sehr abenteuerlich: ein starker Mann, der einen dicken Baumstamm durchsägte. Aber er will doch hoffentlich nicht durch die Kopfhaut?

Als Holzfigur ist der Sägemann ist aus dem Erzgebirge bekannt. Die Figur hat es sogar in das Weihnachtslied „Morgen Kinder, wird’s was geben“ gefunden: … Meinen fleiß’gen Sägemann, mit der Kugel unten dran“. [2]

Werbung für Sägemann-Kämme

(7) Mit diesen Kämmen konnte man Bäume zersägen – die Bildmarke ließ keinen Zweifel offen.

Jürgen Ellermeyer über die Gesichtszüge des Sägemanns: „Das Gesicht des Sägemanns war zunächst keinem bestimmten Vorbild nachempfunden. Nachdem aber die englische Satirezeitschrift „Punch“ den Londoner Premier Gladstone (1809–1898, Premier erstmals 1868) bei seinem Sonntagsvergnügen, dem Holzsägen, abgebildet hatte, übernahm man dessen Züge – nach einem Entwurf des Harburger Künstlers Hermann de Bruyker…“ [3] Humor hatten die Grafiker damals und auch ihre Auftraggeber: Heute würde man so einen Entwurf wohl kaum durchsetzen können!

Englische Sawing Man Werbung

(8) Auch auf Englisch wurde der „Sawing Man“ beworben. Anzeige um 1930. Interessant ist, dass Kamm im Englischen „Comb“ (gesprochen „Camp“) ist, der Harburger also, wenn er von Gummi-Kamp sprach, indem er Kamm und Compagnie mischte, zugleich den englischen Kamm benannte.

Die Visualisierungen von Hercules und Sägemann bewegten sich in der Tradition der damaligen Zeit. Auch auf den Medaillen, die als Qualitätsauszeichnungen auf den Weltausstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts verliehen wurden, tummelten sich Götter und Helden… Die eingesetzte Bildsprache war also vermutlich den damaligen Zeitgenossen durchaus vertraut, für sie einprägsam und wirkte überzeugend. 

1930er Jahre - Werbung Hercules-Sägemann-Kämme

(9) 1930er Jahre: Die starken (Markenzeichen-)Männer gab es noch, aber sie sind schon stark zurückgenommen gegenüber dem gut frisierten Frauenkopf, dem man offensichtlich eine bessere Werbewirkung zuschrieb. 

Auch heute noch gehört die Produktmarke Hercules-Sägemann der Firma NYH. Sie ist nach wie vor ein Begriff im Friseurhandwerk mit einem umfangreichen, nicht allein aus Hartgummi gefertigten Sortiment. Die heute eingesetzten Logos verzichten ganz auf eine Visualisierung. Der Markenbestandteil Hercules ist in beiden Varianten fetter gesetzt, um das Qualitätsmerkmal Stärke zu verdeutlichen. Während Sägemann im älteren Logo elegant geschwungen daher kommt, wird im neueren eher das Qualitätsversprechen „fein verarbeitet“  transportiert, weil die Kämme handgesägt sind (statt gegossen) und damit an die vorindustrielle Tradition der Hornkämme anknüpfen. 

Logo Hercules-Sägemann_alt

Logo Hercules-Sägemann aktuell

(10) Die Produktmarke gestern und heute   

 

 

Bildnachweis

(1) New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, Hamburg 1971

(2) New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, Hamburg 1971

(3) Geschäftsbericht NYH 1941, http://webopac0.hwwa.de/PresseMappe20/PM20.cfm?T=F&qt=155808&CFID=3187678&CFTOKEN=23156141; Hamburger Adressbuch, 1950, S. 217; Prospekt Nyhatech, www.nyh.de/download/NYHATECH.pdf, abgerufen 8.3.2016

(4) www.nyhag.de, abgerufen 8.3.2016

(5) https://www.yumpu.com/de/document/view/20655830/konzernlagebericht-fur-das-geschaftsjahr-2006-nyh-new-york- und http://abschiedskollektion.de/urnen/gummi-waaren-compagnie.html, abgerufen 10.3.2016

(6) New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, Hamburg 1971

(7) New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, Hamburg 1971

(8) New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, Hamburg 1971

(9) Jürgen Ellermeyer: Gib Gummi! Bremen 2006, S. 35

(10) http://www.hair-express.de/Hercules-Saegemann-Cellon-61-Taschenkamm-125-5 und https://www.beautycos.dk/hercules-sagemann/ abgerufen am 9.3.2016

 

Anmerkungen

[1] Jürgen Ellermeyer, Gib Gummi! Kautschukindustrie und Hamburg, Bremen 2006, S. 27.

[2] http://erzgebirge.hamburg/produkte/spielzeug/270-der-saegemann.html.

[3] Jürgen Ellermeyer, Gib Gummi! Kautschukindustrie und Hamburg, Bremen 2006, S. 115.

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