Anarchismus und Polizeistaat

Teil 3 und Schluss: Die Verhaftung von Johann Christoph Neve in neuer Perspektive

Text: Christian Gotthardt
Veröffentlicht: Januar 2016

(1) John Neve: Fahndungsfotos/ Identifizierungshilfen der englischen, deutschen und österreichischen Polizei

Vom Nimbus des Sozialrevolutionärs Johann Neve unter Anarchisten war an dieser Stelle schon die Rede. Allerdings: Er wäre auch hier längst vergessen, gäbe es da nicht ein schlechtes Gewissen. Seine Verhaftung durch belgische und deutsche Polizisten war über Jahrzehnte Gegenstand inneranarchistischer Polemik. Zur Frage, wer Neve an die Polizei verraten habe, erschienen zahllose Stellungnahmen. In der Sache brachten sie mehr Verwirrung als Erkenntnis.

Nun ist vor einiger Zeit die Studie Lutz Neubers zur Magdeburger Regionalgeschichte des deutschen Anarchismus erschienen. Sie deckte, durchaus im Nebeneffekt und ohne dies zu vertiefen, neue und besonders aufschlussreiche Details zur polizeilichen Verfolgung Neves auf. In die Gesamtschau des Vorgangs eingebettet, legen diese Details eine neue Ausrichtung der Forschungsperspektive nahe. Nicht wer Neve verraten hatte, ist das eigentlich Interessante, sondern die politische Funktion seiner Verhaftung für den deutschen Polizeistaat in der Phase des Sozialistengesetzes. In diesem Blickwinkel wird Neve über seine Rolle als tapferer anarchistischer Kämpfer hinaus zu einer historischen Figur, deren Schicksal tiefe Erkenntnisse über den Zusammenhang von anarchistischem Terrorismus und polizeistaatlicher Strategie vermittelt.

Diesem Zusammenhang soll im Folgenden in einem Abgleich dreier kompakter Quellenbestände nachgespürt werden: den Magdeburger Ereignissen, so wie sie uns Neuber und die Magdeburger Akten präsentieren, dann den erstaunlicherweise noch immer kaum bearbeiteten Neve-Akten des Berliner Polizeipräsidiums, schließlich den Briefen Neves aus den letzten 15 Monaten vor seiner Verhaftung.

Zur Erinnerung: Neve hatte – als noch unpolitischer Wandergeselle – Deutschland 1864 in Richtung England verlassen. Nach Aufenthalten in Frankreich und Amerika kehrte er 1874 nach London zurück und begann, sich im dortigen sozialistischen Clubwesen zu engagieren. 1878 schlug er sich auf die Seite von Johann Most, einem in Deutschland wiederholt inhaftierten Publizisten und sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten, der in diesem Jahr nach London emigriert war. Neve gewann Most für das Projekt der Zeitung „Freiheit“, die der Agitation in Deutschland dienen sollte.

Ihre Auflage betrug zu Beginn etwa 1100 bis 1800 Exemplare pro Ausgabe. Teile davon ließ Neve in einer Fabrik in Hull in Matratzen packen und mit diesen exportieren. Seeleute transportierten Ausgaben auf den Linien London-Hamburg bzw. Hull-Hamburg im persönlichen Gepäck. Dazu kam direkter Versand an deutsche Adressen, auch via Frankreich, Schweiz, Belgien und Holland, in Briefen, anderen Zeitungen oder Konserven. Bewohnern der Grenzorte überbrachten Ausgaben im kleinen Grenzverkehr.

Jede Ausgabe trug einen wechselnden Tarntitel, um der Polizei in den verschiedenen Ländern das schnelle Erkennen der Sendungen und die Rekonstruktion der Vertriebswege zu erschweren. Separatdrucke spezieller Artikel gingen als Flugblätter in Auflagen von 10.000 bis 30.000 dieselben Wege.[1]

Von Neves verdeckten Reisen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die dem Vertriebsaufbau für die „Freiheit“ dienten, sowie von seinen Verhaftungen in Wien, Hanau und Zürich war im Teil 1 dieser Darstellung bereits die Rede. Im Oktober 1885 ging Neve erneut für den Zeitungsvertrieb auf das kontinentale Festland, diesmal ins belgische Verviers.[2]

Neben der Zeitungsarbeit empfand Neve in dieser Zeit immer mehr die Notwendigkeit einer „Propaganda der Tat“ – also terroristischer Angriffe auf prominente Personen oder Institutionen staatlicher Unterdrückung. Das entsprach zwar ohnehin der anarcho-terroristischen Taktik Most`s. Ausgelöst und zugespitzt wurde diese Tendenz in Neves politischem Denken aber durch mächtige spontane Arbeiterrevolten im März 1886 in Frankreich, England und insbesondere auch in Belgien. Seit dieser Zeit gewann das Thema Sprengstoff in seiner Korrespondenz an Bedeutung (s. Teil 2).

Verlassen wir an dieser Stelle den Werdegang Neves und rekonstruieren den Blick der deutschen Polizei auf seine Person:

Neve war kein deutscher politischer Emigrant und mit der deutschen politischen Arbeiterbewegung vor 1878 nicht in Berührung gekommen. Als Führungsfigur und Organisator des anarchistischen Zeitungsvertriebs von London aus geriet Neve erst langsam in den Blick der deutschen Polizei. Deren Londoner Spitzel Oskar Neumann, der bis zu seinem Auffliegen im Oktober 1880 in der „Freiheit“-Expedition mitarbeitete., wusste noch nichts über Neve zu berichten.[3] Im Frühjahr 1982 wusste die Polizei zwar schon recht genau über die Vertriebswege der Freiheit Bescheid, kannte aber den Organisator noch nicht.[4] Erst Neumanns Nachfolger, ein bislang nicht identifizierter Deutscher aus der individualistischen „Autonomie“-Gruppe, konnte Neves Rolle und Namen aufdecken und dem Berliner Polizeipräsidium melden, wobei er ihn anfangs für einen Engländer hielt. In Berlin wurde daraufhin April/ Mai 1882 die erste Polizeiakte über den „Redakteur John Neve“ angelegt.[5]

(2) Molkenmarkt, Sitz der Berliner Politischen Polizei

 

(3) Guido v. Madai, Berliner Polizeipräsident von 1872 bis 1885

 

Sie begann sich schnell zu füllen. Im Frühjahr 1882 berichte ein Pariser Spitzel über Neves Wirken und seine Bekanntschaften in Paris und Lyon. Ein Wiener Kollege zeigte im Oktober seine geplante Reise von Paris nach München, Linz, Budapest und Wien an. Im Dezember liefen dann die Meldungen über Neves Verhaftung in Wien in Berlin ein.[6]

Bei der nun sechs Monate andauernden Posse um seine Identifizierung ist die Interessenlage und die Taktik der beteiligten Behörden nicht eindeutig zu erkennen. Klar ist zumindest, dass die Berliner Polizei sehr schnell um die wirkliche Identität des vorgeblichen „Ernest Stevens“ wusste. Die Londoner Polizei identifizierte Neve aufgrund einiger in Wien aufgenommener Porträtfotos und fand heraus, dass ein tatsächlich bekannter Ernst Stevens nicht mit dem Fotografierten identisch war.[7] Die Berliner Polizei hatte über ihre Londoner Spitzel Neves nordfriesische Herkunft herausgebracht und sich durch die dort zuständigen preußischen Landräte alle Neves der Region samt Personenstandsdaten auflisten lassen. Ebenso hatten der Spitzel und Neves alter Lehrer Peter Schlichting aus Uelvesbüll, die beide Neve von Angesicht kannten, ihn anhand der in Wien gefertigten Fotos nahezu sicher identifiziert. Der Lehrer hatte sogar aus seinen Beständen einen alten Schulaufsatz Neves als Schriftprobe geliefert.[8]

Dieses Material floss damals in die Wiener Vorgänge nicht ein. Deutschland beantragte die Auslieferung wegen unerlaubter Agitation Neves in Hessen. Dies wurde von Österreich formal verweigert mit Verweis auf die ungeklärte Identität des Häftlings. Wien verfügte statt dessen die Ausweisung. Gegen Neves Willen erfolgte die Ausweisung Ende Juli 1883 in Richtung Bayern, wo er prompt verhaftet wurde, um dann im hessischen Hanau angeklagt zu werden.[9]

In Hanau wiederholte sich in fünfmonatiger Untersuchungshaft dieselbe Posse um die Identität Stevens-Neve. Die aufgebotenen Revolutionäre, darunter der österreichische Anarchist Josef Peukert, Victor Dave und Karl Schneidt, wollten ihn nicht erkennen oder stützten sein Pseudonym. Ein ehemaliger Arbeitgeber aus London, Schrift- und Sprachsachverständige und eben der als besonders glaubwürdiger Zeuge geltende Lehrer Schlichting sahen in ihm den Deutschen Neve. Am Ende stellte das Gericht seine Identität als Neve fest und verurteilte ihn zu weiteren sechs Monaten Haft.[10] Im Anschluss, im Juni 1884, verließ er Deutschland in Richtung Schweiz. Dort fand er, so meldete prompt der deutsche Spitzeldienst nach Berlin, im Raum Zürich Arbeit bei einem Tischler, unter dem Decknahmen „Christens“. [11]

Signalement des sozialrevolutionären Agitators Johannes Christoph (John Christopher) Neve

  1. Vor- und Zuname: Johann Christoph Neve aus Uelvesbüll
  2. Wohnort: Nach seiner Angabe London
  3. Gewerbe oder Stand: Tischler
  4. Religion: konfessionslos
  5. Alter: 38 Jahre
  6. Größe: 1,67 m
  7. Haupthaar: röthlich-braun
  8. Bart: röthlicher, nach unten stehender Schnurrbart
  9. Stirn: frei
  10. Augenbrauen: blond
  11. Augen: grau
  12. Nase: gebogen
  13. Mund: starke Unterlippe
  14. Zähne: gut
  15. Kinn: rund, wenig Doppelkinn
  16. Gesicht: oval
  17. Gesichtsfarbe: blaß
  18. Statur: mittel
  19. Besondere Kennzeichen: etwas krumme Beine (Säbelbeine), eine Hautfalte über der Nasenwurzel, die Ohren stehen etwas vom Kopfe ab, im Gesicht und auf den Vorderarmen Sommersprossen.
  20. Bekleidung: unbestimmt[12]

Hier wurde er im Dezember 1884 – vermutlich infolge einer von Berlin aus gesteuerten Aufdeckung seiner Identität – von der Schweizer Polizei verhaftet und ausgewiesen.[13] Die Ausweisung traf ihn offiziell und öffentlich als

Johann Neve, von Uellvesbüll (Schleswig), Schreiner, alias Jean Court, Ernest Stevens, Peter Jensen und Piotra Warchatowskiego.[14]

Neve reiste wieder nach London. Die deutsche Polizei, seit Januar 1885 wiederum in Kenntnis seines neuen Aufenthaltsortes,[15] platzierte nun eiligst besonders befähigte Spitzel in Neves Umfeld. So tauchte ein gewisser Theodor Reuss in London im Februar 1885 aus dem Nichts auf und lebte sich systematisch in das Clubleben der Anarchisten ein.[16] Durch Ihn erfuhr die Polizei Ende Oktober 1885 von Neves Wechsel nach Verviers und bekam sogar eine seiner dortigen Adressen. Es war klar, dass Neve sich mit dem Zeitungstransport nach Deutschland befasste, Genaueres über diese Aktivitäten konnte Reuss aber zunächst noch nicht herausbringen.[17]

(4) Reuss in Freimaurer-Kluft

 

Mit Reuss, der eng mit Victor Dave vertraut war und auf diese Weise von Beginn an vollständig über dessen Briefwechsel mit Neve in Verviers informiert war, erreichte die Überwachung Neves durch die deutsche Polizei eine qualitativ neue Ebene. Sie war nun so dicht an Neve herangekommen, dass sie von der einfachen Verfolgung und Beobachtung zur Instrumentalisierung übergehen konnte. Die immense Bedeutung, die Neve damit bekam, spiegelte sich in seiner Akte wieder: Als Reuss am 30.10. 1885 ein Alarmtelegramm an die Berliner Zentrale der Geheimpolizei sandte („n. nicht in bradfort, sondern in deutschland mit planen +“), erhielt dieses Telegramm den Vermerk: „durch Krüger [d.i. der Direktor der Berliner Politischen Polizei] nach Friedrichsruh [d.i. Reichskanzler Bismarck]“.[18] Schon im Dezember wurde einer der talentiertesten Beamten der politischen Polizei, Mauderode, nach Aachen geschickt, um die dortige Polizeibehörde einzuweisen und an die Zusammenarbeit mit Berlin zu gewöhnen.[19]

Die deutsche Polizei hatte nun zunächst vor, Neve über einen versierten Lockspitzel, Max Trautner, zu kontaktieren. Trautner, ein ehemaliger bayrischer Offizier, war im Februar 1885 aus Genf vor seiner Enttarnung als agent provocateur durch die Schweizer Polizei nach Berlin geflohen und von dort nach Brüssel und Verviers geschickt worden, vorrangig zum Zwecke der Militärspionage, aber auch zur Infiltration der belgischen Anarchisten und insbesondere des Netzwerks von Neve.[20]

Der Briefverkehr Neves mit Victor Dave in London lässt erkennen, dass Trautner seine Anwesenheit in Brüssel der Freiheit-Expedition in London mitteilen ließ oder selbst mitteilte, und Dave seinen Freund Neve in Verviers darüber informierte. Neve reagierte jedenfalls gegenüber Dave in scharfer Form: Mit Trautner wolle er „nichts zu schaffen haben, weil er eine ganz zweifelhafte Persönlichkeit“ sei.[21] Tatsächlich kam Trautner nicht mit Neve in Kontakt.

Im weiteren Verlauf des Jahres 1885 eröffnete sich der Polizei dann überraschend eine neue Chance. Neve hatte bereits von London aus Kontakt zu einer Magdeburger Anarchistengruppe aufgenommen. Von Verviers aus setzte er den Kontakt fort. Sein Kontaktmann Krause wurde aber zu dieser Zeit längst vom Polizeispitzel Drichel ausgeforscht. Drichel bewegte sich schon seit August 1884 unter den Magdeburger Anarchisten, er hatte ursprünglich die Aufgabe gehabt, in Magdeburg ansässige, aus Berlin ausgewiesene Sozialdemokraten zu überwachen. Mindestens ein Brief Krauses wurde abgefangen, Drichel selbst übernahm teilweise den Briefverkehr mit Neve. Die Magdeburger Polizei erfuhr jetzt näheres über den Vertriebsweg der Zeitung, Helfershelfer, Tatbestände. Unabhängig von der Berliner Polizei kam sie dabei auch der Person Neve auf die Spur, den sie zunächst als einen gewissen „Neef“ identifizierte.[22] Sie erfuhr angeblich auch, so wurde später im Prozess gegen Neve von der Anklage behauptet, von einem Angebot Neves an Drichel im Frühjahr 1886, das als Bereitschaft zur Zusendung von Sprengstoff gedeutet werden könne.[23] Schließlich bekam auch sie mit, dass Neve inzwischen nach Verviers übersiedelt war, und kannte auch eine seiner Deckadressen (Jules Charpenthien, Hedimont, Rue de Vassieurs 20).[24] In Berlin lagen diese Erkenntnisse bereits seit Januar 1886 vor.[25]

Im Frühjahr 1886 hatte die deutsche Polizei zweifellos genügend Material beisammen, um einen spektakulären Prozess gegen Neve anstoßen zu können. Es war allerdings noch das Problem der finalen Identifizierung zu lösen. War der an der belgisch-deutschen Grenze agierende Anarchist wirklich Johann Neve? Im Briefverkehr mit den Magdeburgern hat er mit Decknamen gearbeitet, die er sich in Verviers zugelegt hatte. Wirklich identifizieren konnte ihn nur jemand, der ihn aus London persönlich kannte, Kontakt zu ihm herstellen konnte und aussagebereit war. Es hat den starken Anschein, als habe die Berliner Polizei in dieser Sache wesentlich auf Reuss gesetzt. Denn prompt im Mai 1886 tauchte Reuss für einen Kurzbesuch bei Neve in Verviers auf, unangemeldet und ohne plausible Begründung.[26] Neve informierte Dave in London hierüber, Dave, seit einiger Zeit gegenüber Reuss misstrauischer geworden, machte den Fall sofort öffentlich und denunzierte Reuss als überführten Polizeispitzel. [27]

Der Berliner Polizei konnte dies egal sein, sie wusste über Neves Identität nun Bescheid. Allerdings zeigte sie immer noch keinerlei Bemühungen, seiner habhaft zu werden. Wartete sie ab, dass Neve wirklich Sprengstoff liefern würde? Aus Neves Briefen an Dave wissen wir sicher, dass er deutschen Genossen solche Lieferungen versprochen hatte.[28] Über Reuss wusste dies, wie oben erwähnt, seit Januar 1886 auch die Berliner Polizei.

Mitte September 1886 traf eine Kiste mit Sprengmaterial für Drichel in Magdeburg ein und wurde von der Magdeburger Polizei beschlagnahmt. Sie trug die Aufschrift

Matiere Explosive

Marque deposee

Mataque la Grande

(Belgique)

und schien daher aus Beständen eines belgischen Montanunternehmens im Raum Lüttich-Seraing zu stammen.[29]

Die Magdeburger Polizei ging ab Dezember 1886 davon aus, dass Neve der Absender war – gestützt auf Aussagen Drichels, der wie auch Krause sogleich festgenommen und in einem nichtöffentlichen Schnellverfahren schon im Januar 1887 abgeurteilt und für mehr als 5 Jahre weggesperrt worden war. Drichel hatte in Vernehmungen ausgeführt, Neve habe ihm im April 1886 in zwei Briefen „gute andere Sachen“ angeboten, womit seiner Wahrnehmung nach Sprengstoff gemeint gewesen sei. Diesen hab er dann ihm August 1886 bei Neve bestellt und dann im September folgerichtig erhalten. Von den erwähnten zwei Briefen Neves an Drichel, die laut Urteilsbegründung Neve in der Untersuchung gegen Drichel in die Hände der Polizei gelangt seien, finden sich in den Berliner Akten lediglich Abschriften, eine Prüfung, ob Originale existieren und tatsächlich Neve zuzuordnen sind, ist nicht mehr möglich.

Jedenfalls startete jetzt die „heiße Phase“ der Verfolgung und Verhaftung Neves, und zwar zunächst unabhängig voneinander in Magdeburg und Berlin. Dabei hatte es den Anschein, als seien die Berliner wesentlich früher gestartet, und als sei für sie der Dynamitfund nicht erst das Startzeichen, sondern schon Ergebnis ihres Vorpreschens gewesen.

Der Magdeburger Polizeipräsident v. Arnim meldete Anfang Januar 1887 an den mit dem Fall betrauten Oberreichsanwalt am Reichsgericht Leipzig, Hermann Tessendorf, nun würden über einen im Dienst der Magdeburger Polizei stehenden Spitzel in Belgien Vorkehrungen getroffen, Neve nach Deutschland zu locken und dort zu verhaften.[30] Tessendorf antwortete ihm jovial, aber bestimmt: Das sei ja im Grundsatz eine gute Idee, nur sei in Berlin durch Innen-, Außen- und Justizministerium „das erforderliche veranlasst, um des Neve habhaft zu werden“: schon seit November 1886 sei ein Beamter in Belgien [Möhlig, s.u.], die Verhandlungen über die Auslieferung mit den Belgiern seien im Gang, seit Beginn 1887 sei auch ein höherer Polizeikommissar vor Ort [Polizeidirektor Krüger persönlich].[31] Trautner war inzwischen als Lockspitzel außer Dienst gestellt und ab Jahresbeginn Privatier.[32] Berlin wollte nach dem Dynamitfund nun keine Zeit mehr verlieren. Ein von Tessendorf beantragter Haftbefehl gegen Neve wegen Hochverrats und Sprengstoffvergehens war schon Anfang November ergangen.[33] Der Aachener Polizeikommissar Möhlig, der den Kontakt mit der Polizei in Verviers organisierte, hatte im Dezember geklagt, dass Neve immer vorsichtiger werde und die Belgier durch ihr ungeschicktes Vorgehen die Lage noch erschwerten.[34] Spitzelmeldungen aus London gaben zur gleichen Zeit immer deutlichere Signale, dass man unter den dortigen Anarchisten mit einer baldigen Flucht Neves aus Verviers nach London rechnete.[35]

(5) Reichsanwalt Hermann Tessendorf

 

Arnim verstand den Wink und setzte seinen Spitzel statt auf Neve nun auf Josef Peukert an, den Widerpart Daves in den Londoner Anarchistenclubs, der ohne Wissen Daves noch mit Neve korrespondierte, ihn auch in Verviers besucht hatte und ihn auch erneut wieder besuchen wollte.[36] Neve, ohne Nachricht aus Magdeburg, fragte in denselben Tagen brieflich bei einem Kontaktmann in der Umgebung Magdeburgs nach, was geschehen sei und ob er überhaupt noch „etwas“ (gemeint wohl Literatur) schicken solle.[37] Mauderode hatte, auf Basis von Spitzelberichten aus London und eigener Ermittlungen in Verviers, herausfinden können, dass Neve und Peukert für den 2.1.1887 ein Treffen in Belgien planten. Er erkannte die große Chance, hierüber Neves Aufenthalt an einem bestimmten Tag nach Ort und Zeit vorhersehen und somit seine Identität sicher feststellen zu können. Er gab entsprechende Ratschläge an seine Vorgesetzten in Berlin weiter und empfahl dabei, zum besseren Gelingen auch den Agenten Trautner kurzfristig zu reaktivieren.[38]

Die umsichtigen Vorbereitungen Mauderodes und Krügers mündeten in die ebenso schnörkellose wie ungesetzliche Entführung Neves aus Belgien am 21. Februar 1887.[39] Im geheimen Prozess gegen Neve wurden dann die Paketkarte der Sprengstoffsendung und ein beiliegender Brief aufgrund der Handschrift Neve zugeordnet.[40] Ein Schriftsachverständiger führte den Beweis anhand einer (falschen) Passunterschrift, einiger erzwungener und von Neve mit verstellter Schrift abgefasster Schriftproben aus dem Hanauer Verfahren sowie weiterer z.T. nicht näher gekennzeichneter Briefe. Sein Gutachten war am Ende der einzige „Beweis“ für Neves Urheberschaft am Sprengstoffpaket. Drichel hatte schon in seiner eigenen Hauptverhandlung im Januar 1887 viele seiner Aussagen widerrufen bzw. durch zahllose verschiedene Erklärungsversionen unbrauchbar gemacht.[41]

 

Der Geheimprozess

Da der Prozess gegen Neve nach der Vernehmung der Belastungszeugen unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergeführt wurde, erschien keinerlei Presseberichterstattung über seinen Verlauf. Die Prozessakten des Verfahrens, z.B. Verhandlungsprotokolle und Gutachten, wurden nie veröffentlicht und sind heute nicht mehr zu ermitteln. In den Berliner Polizeiakten findet sich allerdings eine konzentrierte Zusammenfassung der Verhandlungen aus der Hand des Kommissars Mauderode, der von seinen Berliner Vorgesetzten als Berichterstatter nach Leipzig abkommandiert worden war.

Mauderodes Bericht belegt in klarer Sicht und deutlicher Sprache das zentrale Dilemma des Prozesses: Neves Helfer und Mitverhafteter in Belgien, der Weber Franz Gross, konnte sich durch die Belastung Neves aus der Haft retten - er wusste aber nur vom Zeitungs- und Briefversand zu berichten. Alle Betroffenen der Sprengstoffsendung wiederum, Krause und Drichel und weitere Magdeburger, kannten Neve nicht persönlich und erkannten seine Handschrift nur auf Vermutung hin. Und weiter: Die Ähnlichkeit der Handschriften einerseits der im Sprengstoffpaket enthaltenen Schriftstücke und andererseits jener verschiedenen abgefangenen, Neve zugeschriebenen Briefe bewies nichts. Auch wenn, was Neve selbst bestritt, die abgefangenen Briefe tatsächlich von Neve waren, so musste das für die Dokumente im Paket nicht zwingend gelten. Und schließlich: Der Brief, in dem Neve Drichel ankündigte, er könne neben "Papier" auch "noch viele anderen Sachen liefern", lag nur in einer von Mauderode ohne Datum bestätigten polizeilichen Abschrift vor - er existierte ansonsten nur in der Aussage Drichels (s.o.).

Der Bericht belegt zum anderen, wie nahe Neve der Erkenntnis war, was ihm da zustieß. Er, der sich selbst verteidigte und seinem Pflichtverteidiger nur eine Nebenrolle gestattete, trieb die Belastungszeugen durch Nachfragen in die Enge. Er wies auf Merkwürdigkeiten seiner Verhaftung und Überstellung nach Deutschland hin. Er erklärte das ganze Briefe-Konvolut und insbesondere die Schriftstücke aus der Sprengstoffkiste für "Polizeimache". 

Das Gericht ließ sich hiervon nicht beeindrucken. Es folgte dem Plädoyer des Reichsanwalts und verhängte 15 Jahre Zuchthaus-Haft.[42]

 

Unter Verschluss

Neves Berliner Polizeiakten enthalten schließlich auch aufschlussreiche Einzelheiten über seine Haftzeit in Halle und Moabit. Da hierzu in der Literatur immer noch viel Unsinn im Umlauf ist, seien sie hier mitgeteilt.[43]

Das erste Jahr seiner Gefangenschaft in Halle konnte Neve in relativer Ausgeglichenheit verleben. Er tischlerte in der Anstaltswerkstatt, und die Briefe, die er zu dieser Zeit noch an seine Freunde senden konnte, zeigen ihn zwar verbittert, aber lassen zugleich auch einen grimmigen Humor erkennen.[44] Dann ging es ihm schlechter. Etwa seit Frühjahr 1889 durchlitt Neve eine fünfmonatige Krankheit und einen entsprechend andauernden Aufenthalt im Gefängnislazarett. Von dort richtete er am 22. September 1889 einen Brief an Sebastian Trunk in London, mit der Bitte, ihn zu besuchen und sich zu diesem Zweck beim Innenministerium für eine Sondergenehmigung einzusetzen. Diesen Brief ließen die Hallenser Gefängnisbehörden offenkundig passieren, denn Trunk antwortete sofort und versprach, in dieser Sache alles Mögliche zu unternehmen.

(6) Sebastian Trunk, mit Tochter Daisy und Ehefrau Johanna, ca. 1905

 

Allerdings zerschlug sich das Vorhaben. Neve war unterdessen Ende September/ Anfang Oktober 1889 als Geisteskranker von Halle in die „Irrenabteilung“ des „Zellengefängnisses Lehrter Straße“ in Berlin-Moabit verlegt worden.[45] Reichsanwalt Tessendorf, der den Fall Neve auch nach dessen Verurteilung nicht aus der Hand gab, notierte Mitte Oktober 1889 hierzu in die Akten: „Es handelt sich nicht um Blödsinn oder Verrücktheit, sondern um gewisse Wahnvorstellungen, bei welchen die betroffene Person dem Laien sonst ganz vernünftig erscheint“. Als solche Wahnvorstellungen Neves galten z.B. das Einfordern normaler Häftlingsrechte oder die Ankündigung von Arbeitsverweigerung, sollte diesen Forderungen nicht entsprochen werden.

(7) Gefängnis Lehrter Straße in der Zeit der Haft Neves: Der rechts unten waagerecht abgehende Trakt beherbergte die „Irrenabteilung“.

 

Es war klar: Tessendorf wollte den Häftling einerseits als hinreichend geistesgestört testiert sehen, um ihm Rechte verweigern und ihn wegsperren zu können. Andererseits durfte er nicht so sehr gestört sein, dass sich – im preußischen Recht gab es diesen Weg - Gründe für die gänzliche Aussetzung des Haftvollzugs ergeben hätten. Unterstützt wurde Tessendorfs Bestreben durch den leitenden Anstaltsarzt des Gefängnisses, Arthur von Leppmann, der ein passgenaues Gutachten über Neves Geisteszustand zulieferte.[46]

Dieser Umgang mit Neve wurde in gewissem Umfang (vermutlich über Trunk in London) in Berlin bekannt und führte 1890 zu Solidaritätsbekundungen von deutschen Anarchisten und Sozialisten.

Weitere Briefe konnte Neve nur noch an seinen Lehrer in Uelvesbüll richten (um die Adresse seiner Schwester zu erfahren), sowie in der Folge mehrmals im Jahr an diese und seinen Schwager. Rund ein Jahr vor seinem Tod, im November 1895, besuchte die Schwester ihn in der Moabiter Irrenabteilung. Am 8. Dezember 1896 starb Neve dort an „akuter Lungentuberkulose“.[47] Ob er sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in geistiger Umnachtung befand, ist zumindest zweifelhaft. Dass seine Krankheit und sein Tod auch psychogene Triebkräfte hatten, ist angesichts seines Schicksals hingegen sehr wahrscheinlich.

(8) Ein zeitgenössisches Gedenkblatt, vor 1890 

 

Resümee

Neves Verhaftung und Verurteilung hatten nur vordergründig mit seinen mehr oder weniger nachweisbaren „Vergehen“ zu tun. Wir können ohnehin bis heute nicht unterscheiden, welche vorgeblichen Sachverhalte der Urteilsbegründung tatsächlich auf Neve weisen, welche durch Lockspitzel durchgeführt wurden und welche bloße Erfindung waren. Dies gilt insbesondere für die Sprengstoff-Sendung, die Neve selbst immer bestritten hat. Neve schrieb im Juli 1886 seinem Vertrauten Dave in London, dass er wegen unüberwindlicher Beschaffungsprobleme den entsprechenden Plan aufgebe.[48] Für eine Sendung im September hätten sich diese Probleme ganz plötzlich auflösen müssen. Davon und von einer tatsächlichen Sendung enthalten die Briefe an Dave nichts. Auch die abgefangenen Briefe Neves nicht, soweit sie in den Magdeburger und Berliner Polizeiakten im Original oder in Abschrift erhalten sind.

Hier ist eine andere Perspektive nötig: Die deutsche Polizei hatte Neve lange vor seiner Verhaftung gründlich ausspioniert. Sie hatte Teile seiner Korrespondenz abgefangen und war durch Spitzel auch über den Inhalt seiner sonstigen Korrespondenz informiert. Sie wusste um hinreichend strafwürdige Handlungen und kannte seine Adressen und Arbeitgeber in Verviers.[49] Sie konnte, wie Neve selbst schon im Mai 1886 schrieb, ihn „jederzeit haben“.[50]

Insofern stand ihr Zeit zur Verfügung, weitere, noch spektakulärere Anklagepunkte abzuwarten oder selbst zu konstruieren. Auffällig ist z. B. der Umstand, dass die Führungsfigur der Magdeburger Anarchisten, Gustav Krause, Anfang 1886 in Haft kam, dann aber im April oder Mai plötzlich freigelassen wurde, obwohl der Polizei seine Rolle im Vertrieb der Freiheit bekannt war.[51] Der Werdegang von Krauses Gefährten und Wohngenossen Robert Drichel lässt sich ohne große Mühe als polizeilich geplante Unterwanderung der Magdeburger Anarchisten lesen.[52] An Drichels Handlungen und späteren Aussagen hing die gesamte Sprengstoffsache, über die wir - wie erwähnt - in keiner Akte irgendeinen sonstigen Beleg finden. Die Parallelen zu anderen Fällen untergeschobener „Dynamitkisten“, wie sie Anfang 1888 von den sozialdemokratischen Abgeordneten Singer und Bebel im Deutschen Reichstag detailliert aufgedeckt wurden, sind offenkundig.[53] Dass der führende Magdeburger Polizeiermittler Krieter auf Geheiß seines Vorgesetzten nur wenige Wochen nach der Verhaftung Neves eine Broschüre über die angebliche Geheimorganisation der Sozialdemokraten veröffentlichte, ist eine Merkwürdigkeit mehr.[54] Sie passt allerdings genau in die damalige Strategie der Reichsregierung, die angebliche Gefährlichkeit der Sozialdemokratie mit tatsächlichen und erfundenen anarchistischen Attentaten zu belegen.

So war der „Fall Neve“ zuletzt nichts anderes als die Wiederaufführung des Szenarios „August Reinsdorf“ über den verhinderten Kaiserattentäter bei der Einweihung des Niederwald-Denkmals im Jahre 1883/84. Auch damals waren Polizeipräsident Madau und Direktor Krüger die Regisseure, auch damals gab es einen Polizeiagenten als unmittelbar Beteiligten der Tatvorbereitung (Spitzel Robert Palm), und auch damals war das polizeiliche Vorgehen wesentlich bestimmt durch das Bestreben, für die entscheidenden Sitzungen des Reichstages schlagende Argumente für die Verlängerung des Sozialistengesetzes beizusteuern.[55]

(9) Die Angeklagten des Reinsdorf-Prozesses 1884

 

Im Unterschied zum Fall Reinsdorf jedoch gab es vom Angeklagten Neve in der ausschlaggebenden Dynamit-Sache kein Geständnis. Es war daher nur ein äußerst wackliges Indizien-Urteil möglich. Dies erklärt die fanatische Konspiration in diesem Geheimverfahren, ebenso die Skrupellosigkeit der Anklage und die Brutalität der darauf folgenden Isolationshaft. Neve konnte nicht wie Reinsdorf zum Tode verurteilt und kurzerhand hingerichtet werden, er wurde statt dessen lebendig begraben.

Neve war das Opfer eines planmäßig vollzogenen Justizmords, den der Reichskanzler Bismarck aus innenpolitischen Gründen brauchte und wollte, den er durch seinen Justizminister Puttkamer anordnen ließ, und den der Polizeipräsident Madau im Verein mit dem Reichsanwalt Tessendorf ausführte.

Bereits erschienen:

Teil 1: Johann Christoph Neve (1844-1896): Sozialrevolutionär aus Uelvesbüll

Teil 2: Anarchistische Praxis. Aus Neves Briefen an Victor Dave 1885-1887 

 

Bildnachweis

(1) Fotomontage div. Fahndungsfotos, ca. 1885/1886 von den deutschen Behörden zusammengestellt; Quelle: Heath 2005 (http://libcom.org/history/articles/1844-1896-john-neve, 28.12.2015)

(2) Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung, Berlin 1987

(3) Das Sozialistengesetz 1878-1890, Berlin 1980

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Reuß, 28.2.2015

(5) Das Sozialistengesetz...

(6) Garage Collective 2013 (http://garagecollective.blogspot.de/2013/09/johann-sebastian-trunk-1850-1933.html, 28.12.2015)

(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Zellengefängnis_Lehrter_Straße, 15.12.2015

(8) Zeitgenössische Zeichnung, vermutlich Beilage zur Zeitschrift "Die Freiheit"; Quelle: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt

(9) Zeitgenössische Zeichnung; Quelle: http://efemeridesanarquistas1septiembre2012.blogspot.de/2012/09/28-de-septiembre.html, 30.12.2015

 

Anmerkungen

[1] Datenbank 2001; Eichler 1983, S. 71 ff., 108.

[2] Landes Archiv Berlin (LAB), Rep 030 Nr. 11970.

[3] Carlson 1972, S. 195 f., 210, 217 f.

[4] LAB, Rep. 030 Nr. 13087, Bl. 331 f.

[5] LAB, Rep. 030 Nr. 11969, Bl. 3.

[6] LAB, Rep 030 Nr. 13088, Bl.47; Nr. 13087, Bl. 5 f., Bl. 10, Bl. 15.

[7] LAB, Rep 030 Nr. 11969, Bl. 113.

[8] Ebd., Bl. 63 ff., Bl. 103 ff.

[9] Ebd., Bl. 143-149.

[10] LAB, Rep 30 Nr. 11969, Bl. 218-224. Vgl. Die Zukunft v. 10.1.1884. Die Angabe von Rocker 1924, S. 198, Neves Identität sei in Hanau nicht geklärt worden, ist falsch.

[11] LAB, Rep. 030 Nr. 11969 Bl. 262-273.

[12] Ebd., Bl. 227.

[13] Ebd., Bl. 271-275.

[14] Schweizerisches Bundesblatt v. 16.7.1885, S. 599.

[15] LAB Rep. 030 Nr. 11969, Bl. 296-303; 328 ff.

[16] Rocker 1924, S. 250 ff.; Reuss wurde in der Berliner Zentrale der deutschen Geheimpolizei unter der Tarnbezeichnung „Agent E II“ geführt; LAB Rep. 030 Nr. 11670, Bl. 125.

[17] Carlson 1972, S. 348, 382.

[18] LAB Rep. 030 Nr. 11970, Bl. 5 ff.

[19] Ebd., Bl. 36 f., 42 ff., 77 f.

[20] Schweizerisches Bundesblatt v. 16.7.1885, S. 649 f., PDF in: http://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?id=10012817, aufgerufen am 2.8.2014. Vgl. Fricke 1962, S. 127. Die eigene Darstellung Trautners in Trautner 1887, S. 7, ist ausgesprochen glaubwürdig. Dies gilt auch für seinen Bericht über Neves Verhaftung, der in allen Details mit Mauderodes (geheimen) Berichten an seine Vorgesetzten übereinstimmt.

[21] Neve an Dave v. 25.11.1885, IISG Amsterdam.

[22] Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA) Rep. C 29 II NR. 10.

[23] LAB Rep. 030 Nr. 11971 (darin das Urteil des Reichsgerichts in hektographierter Form).

[24] LHASA Rep. C 29 II Nr. 13. Diese Akte enthält einige unterschlagene Briefe von Neve und Trunk, der im Urteil erwähnte Brief (s. vorstehende Anmerkung) ist nicht darunter, auch nicht in Form einer Abschrift.

[25] LAB Rep. 030 Nr. 11970, enthält a) als Bl. 70 eine (angebliche) Abschrift von einem undatiertem (angeblichen) Neve-Brief an „Lieber Freund“ mit in etwa passendem Inhalt, b) als Bl. 92 einen Spitzelbericht über einen Neve-Brief, in dem er von „Grubenleuten“ spreche, die ihm Dynamit liefern könnten; dem Kontext nach sind diese beiden Schriftstücke etwa im Januar 1886 in die Akte genommen worden.

[26] Reuss` Bericht hierüber an die Polizei Berlin, v. 22.5.1886, in: LAB Rep. 030 Nr. 11670, Bl. 125 ff.

[27] Neve an Dave v. Mai 1886, IISG Amsterdam; vgl. Neve an Krebs (Abschrift) v. 16.5.1886, in: LAB Rep. 030 Nr. 11670, Bl. 130.

[28] Neve an Dave v. 13.7.1886, IISG Amsterdam.

[29] LAB Rep. 030 Nr. 11971, Bl. 287.

[30] Arnim an Tessendorf v. 8.1.1887, LHASA Rep. C 29 II Nr. 13.

[31] Tessendorf an Arnim v. 10.1.1887, ebd. Nach einer geheimen Aktennotiz von Tessendorf, verfasst am 4.3.1887, ging die Entsendung des Beamten auf einen Erlass des Justizministeriums zurück; LAB Rep. 030 Nr. 11970.

[32] Trautner 1887, S. 4.

[33] LAB Rep. 030 Nr. 11970, Aktennotiz Tessendorf v. 4.3.1887

[34] Ebd., Bericht Möhlig v. 15.12.1886.

[35] Ebd., Meldungen v. 2.12.1886, 23.12.1886.

[36] LAB Rep. 030 Nr. 11970, Spitzelbrief aus London v. 2.11.1886 und Aktennotiz über Spitzelmeldung aus London v. 27.12.1886; vgl. Neve an Peukert v. November 1886, zit. n. Rocker 1924, S. 260.

[37] Neve an Köhler v. Januar 1887, LHASA Rep. C 29 II Nr. 13.

[38] LAB Nr. 11970, Mauderode v. 27.12.1886.

[39] Es kam hierüber zu einer recht kritischen Presseberichterstattung in Deutschland: Berliner Tageblatt v. 31.3.1887, Vossische Zeitung v. 1.4.1887, Volks-Zeitung v. 1.4.1887, 3.4.1887.

[40] Neuber 2007. Vgl. Fricke 1983, S. 329 f.

[41] LHASA Rep. C 29 II Nr. 13. Vgl. Neuber 2004.

[42] LAB Rep. 030 Nr. 11971, Mauderode v. 18.10.1887.

[43] So bei Rocker 1924, Kreiler 1983, Becker 1987.

[44] Rocker 1924, S. 286 ff., zitiert zwei dieser Briefe in Auszügen. Adressat war u.a. Trunk. Ob sich die Originale dieser Briefe erhalten haben, ist unbekannt.

[45] Das Gefängnis wurde umgangssprachlich von seiner Eröffnung um 1847 bis in die 1920er Jahre als „Zuchthaus Moabit“ bezeichnet. Da die Nazis ab 1933 nicht nur hier, sondern auch im Untersuchungsgefängnis Moabit (heute JVA Moabit) Strafvollzug praktizierten, verlor die Bezeichnung ihre Trennschärfe. Aus diesem Grund wird als Neves Haftort in der neueren Literatur gelegentlich fälschlicherweise die JVA Moabit angegeben. Das Gefängnis „Lehrter Straße“ wurde in den 1950er Jahren abgerissen, das Gelände dient heute als Erinnerungsort; vgl. http://www.landschaftsarchitektur-heute.de/themen/berliner-kulturlandschaften/freiraeume-als-orte-des-erinnerns/details/55, 14.12.2015.

[46] Zur Person Leppmanns vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Leppmann, 14.12.2015.

[47] LAB Rep. 030 Nr. 11971, Bl. 66 f., 79; Nr. 11972, Bl. 9-20, 24, 28-50.

[48] Neve an Dave v. 13.7.1886, IISG Amsterdam.

[49] Neve an Dave v. 14./15.2.1886, IISG Amsterdam; vgl. Neuber 2007.

[50] Neve an Dave undatiert [Mai 1886], IISG Amsterdam.

[51] Neve an Dave undatiert [Februar 1886], IISG Amsterdam; Neve an Dave, undatiert [Mai 1886], IISG Amsterdam; vgl. Neuber 2007.

[52] Thümmler 1979, S. 291. Vgl. Freedom Vol. 2 Nr. 18 v. März 1888, in: http://dwardmac.pitzer.edu/Anarchist_Archives/journals/freedom/freedom2_18.html, aufgerufen am 30.7.2014.

[53] Stenographische Protokolle der Reichstagssitzungen v. 27.1. 1888, 30.1.1888, 17.2.1888, in: http://www.reichstagsprotokolle.de, aufgerufen am 16.7.2014.

[54] Fricke 1962, S. 214 f.

[55] Fricke 1962, S. 161 ff.

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