Frische Themen

Berichte des Wilhelmsburgers Wilhelm Kors und des Heimfelders Christoph Hirthe

Aus Kors' Bericht wurde bislang nur ein kurzer Auszug in „die anderen“ übernommen, Hirthes Text war bis vor kurzem unbekannt. Beide Texte sollen hier nun komplett veröffentlicht werden. Gleich drei gute Gründe sprechen dafür. Erstens spiegeln die Texte Erlebnisse und Motive sogenannter einfacher Parteimitglieder wider, deren Wirkungskreis nicht weit über ihren Arbeitsplatz oder ihr unmittelbares Wohnumfeld hinausging. Zweitens zeigen sie nüchtern und detailliert, was politische Haft unter den Nazis bedeutete. Und drittens illustrieren sie eine Harburger Spezialität: Beide Berichterstatter gehörten zu der nicht kleinen Gruppe Sozialdemokraten, die in dieser Stadt Teil des kommunistischen Widerstandes wurden.

Durch die Gestapo erzwungener Verrat

Es gab mindestens 2.500 von den Nazis politisch und rassistisch verfolgte Harburger und Wilhelmsburger, darunter mindestens 350 Ermordete. Und 15.000 Zwangsarbeiter in den örtlichen Betrieben, die Zahl ihrer Toten unbekannt. Untrennbar damit verbunden sind Denunziationen durch politische Gegner, verhetzte Nachbarn und Kollegen, oft auch aus eigennützigen Motiven. Aber auch Verrat aus den eigenen Reihen, zumeist unter Folter erzwungen. Wir wissen heute über die Umstände und Ausmaße einiger Harburger Verratsfälle recht gut Bescheid. Im Folgenden sollen zwei neu entdeckte Fälle beleuchtet werden, von denen einer am Ende vielleicht doch keiner war...

Ein Tag im Niemannsweg 220

Anhörung nach § 25 Abs. 1 AsylG: Die Person muss selbst die Tatsachen vortragen, die ihre Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihr drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Asylverfahren eingeleitet wurde oder durchgeführt wird beziehungsweise wurde.

Diamonds And Rust

Manchmal hakt eine Geschichte. Fragen tauchen auf, neue Quellen sind zu befragen. Neue Funde erhöhen die Bedeutung des Themas. Historikerethos: Emotionen kontrollieren. Die Potentiale ausschöpfen. Nicht plaudern, sondern die bestmögliche Erkenntnis anbieten. Bis dahin: Sendepause. Sendepause hieß früher Testbild. Eine gute Tradition: Unterlegt war eine Tonspur. Für die Unterhaltung einstweilen. Das mach ich jetzt auch.

Machtergreifung, Alltagsrepression, Ausbeutung von Zwangsarbeitern

Wie in vielen Dörfern Schleswig-Holsteins klafft auch in Witzwort eine eigentüm­liche Lücke: Es gibt keine gemeinsame Rückerinnerung an die von nationalsozia­lis­tischer Herrschaft geprägten Lebensbedingungen und Ereignisse der Jahre von 1933 bis 1945. Die 1983 erschienene Chronik überliefert uns großen Detailreichtum, über die genannten Jahre geht sie schweigend hinweg. Auch andere Berichte, Zeugnisse, Erinnerungshilfen fehlen. Mit den im Folgenden vorgestellten Streiflichtern auf Witzwort in der NS-Zeit soll ein Anfang gemacht werden, dies zu überwinden.

Freundlicher Hinweis auf eine aussterbende Art

Ich bin eine eifrige Besucherin des Harburger Neuen Friedhofs. Bei einem Spaziergang über das Gelände entdeckte ich kleine bänke, die über den Friedhof verstreut zu finden sind. Die Friedhofsverwaltung ersetzt sie nach und nach durch plumpe, gewöhnliche Kunststoffbänke. kleine bänke sind also als Art akut vom Aussterben bedroht. Dieser Artikel soll helfen, sie zu retten.

Eine kurze Reisenotiz

Norddeutscher, der ich bin, will ich mit Kopf und Bauch ins südliche Europa, und mit dem Herz nach Norden. Island war für mich bislang terra incognita. Aber nach zahlreichen Besuchen in Finnland, Dänemark, Schweden, Norwegen und Schottland wurde die Erfahrungslücke immer fühlbarer. Der aktuelle, unterschwellig wirksame Tourismus-Hype um die Insel machte willig. Als meine Nichte mit Freund nach Island zog, war der Reiseentschluss nicht mehr zu unterdrücken.

Nachtrag 1: Die Revolution 1917 – 1923

2007 erschien das Buch „Die radikale Linke als Massenbewegung – Kommunisten in Harburg–Wilhelmsburg 1918–1933.“ Genau wie beim Buch „die anderen“, der Darstellung von Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg 1933–1945, soll der 10-jährige Geburtstag Anlass sein, über seitdem erzielte neue Aktenfunde und Erkenntnisfortschritte Bericht zu geben. Dies soll diesmal nicht in einem Rutsch geschehen, sondern in einer Artikelfolge: Als Auftakt „Neues“ aus der Revolutionszeit bis 1923, dann eine Analyse organisatorischer und fraktioneller Entwicklungen innerhalb der KPD zwischen 1924 und 1930, schließlich ein Blick auf bislang wenig beachtete Wanderungsbewegungen zwischen KPD, SPD und Linkssozialisten am Vorabend der faschistischen Gewaltherrschaft.

1936/37 machten sich 13 Harburger Antifaschisten auf die Reise

Spanien, über Jahrhunderte eine ultrakatholische Monarchie, wählte sich 1931 eine demokratische Regierung und wurde Republik. Die republikanische Bewegung entwickelte sich zur Volksfront weiter und trug bei erneuten Wahlen im Februar 1936 wiederum den Sieg davon. Im Juli 1936 putschte das Militär für die Wiedererrichtung der alten Ordnung – es scheiterte in den Städten, gewann aber im Nordwesten die Kontrolle über die Landgebiete. Im Süden landeten Kolonialtruppen unter General Franco, um den Putsch zu unterstützen. Die faschistischen Regierungen Deutschlands und Italiens sendeten Waffen und Truppen. Auf republikanischer Seite meldeten sich ab Herbst 1936 tausende Antifaschisten aus der ganzen Welt für den Kampfeinsatz in Internationalen Brigaden.

Der Harburger Seemann Heinrich Ahrens

Mosaikstücke dieses Lebens fügten sich erst im Herbst 2016 wieder zusammen: Im Abgleich ganz unterschiedlicher Quellen wurde plötzlich das Schicksal Heinrich Ahrens’ sichtbar, der am 8.9.1906 in Harburg zur Welt kam, die Volksschule Maretstraße besuchte, ab 1929 in der Harburger KPD wirkte, als ziviler Seemann auf einem Handelsschiff fuhr, das 1940 von der deutschen Kriegsmarine requiriert und als Blockadebrecher eingesetzt wurde, und der im Juli 1943 von einem Militärgericht der Wehrmachts-Dienststelle Admiral West Bordeaux wegen Hochverrats und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.